Wo die Chefs bedienen

Foto: Peter von Felbert

Die Banken üben als Geldgeber bei neuen Gastro-Konzepten seit Jahren eine Zurückhaltung, die in vielen Fällen einem Boykott gleichkommt. Meist bleibt nur der Weg in die Abhängigkeit von einer Brauerei. Dass es auch anders gehen kann, beweist seit 20 Jahren das Cafe Ruffini in München – ein Gastro-Betrieb in Selbstverwaltung, bei dem das Kapital vom Team kommt.

Den Einfall, ein Lokal in Selbstverwaltung zu gründen, also ganz ohne Chef, hatten vor zwei Jahrzehnten acht Idealisten, von denen jeder einzelne sein eigener Chef bleiben wollte. Außerdem wollten alle gleich viel verdienen. Beim Start haben viele Spötter geargwöhnt: Kennt ihr nicht die Geschichte von den vielen Köchen, die den Brei verderben?

Und so unglaublich es klingt: Bis heute hält man diese Prinzipien aufrecht: Das Ruffini '99 wird von einem Kollektiv aus 25 Gesellschaftern geführt, die alle im Betrieb mitarbeiten. "Kapital und Arbeit gehören schließlich zusammen", so Helmut Maier, einer der Gesellschafter. Hinzu kommen lediglich einige Aushilfen.
Auffällig ist, dass unter den Gesellschaftern nur ein einziger gelernter Gastronom im Servicebereich tätig ist. "Bei uns arbeiten Architekten, Maler, Pädagogen, die ihren früheren Beruf aufgegeben haben", erzählt Helmut Maier. Im Betriebsablauf ist das Ruffini von einem "normalen" Lokal kaum zu unterscheiden. Der Laden ist straff organisiert. Chefs hin, Chefs her. Die Mitarbeiter müssen sich an bestimmte Regeln halten. "Auch wir arbeiten beispielsweise mit Finanzplanung, Werbung und Controlling", so Maier. "Jeder Gesellschafter ist sowohl Angestellter als auch Unternehmer. Und das sorgt für jede Menge Motivation."

In der Alternativ-Szene hatte das Ruffini sicherlich einen Bonus. Aber mit schlampigen Service oder einfallsloser Speisekarte wären solche Sympathien schnell verspielt worden. Dafür, dass das Ruffini in der schnellebigen Gastro-Szene alle Modetrends unbeschadet überstanden hat, sorgte ein durchdachtes Konzept, das auf mehreren Standbeinen ruht. Neben dem Café-Restaurant gehören eine Bäckerei-Konditorei mit eigener Backstube sowie ein Laden zum Ruffini. Hier werden Backwaren, italienische Feinkost und Wein verkauft. Im Laufe der Jahre wurde das Ruffini auch für seinen Weinimport aus Italien bekannt. Heute zählt das Weinangebot im Ruffini zu den größten Münchens.
Ursprünglich als italienische Cantina gedacht, steht auch heute noch im Ruffini die italienische Küche im Vordergrund. Neben italienischem Frühstück und Pastagerichten gibt es Fisch- und Fleischgerichte, wobei das Fleisch meistens aus biologischer Aufzucht stammt. Brot aus Weißmehl sowie Konditorei- und Vollwertbackwaren stammen aus der eigenen Backstube.
Bleibt die entscheidende Frage: 25 Leute ohne Chef: Geht das überhaupt? "Anstelle eines Chefs spielt bei uns die Gruppendynamik eine entscheidende Rolle", so Helmut Maier . "Das heißt, innerhalb der einzelnen Bereiche wie Küche, Bar, Service, Backstube etc. gibt es gegenseitige Kritik und gegenseitige Kontrolle."
Dazu ein Beispiel: Um den üblichen Koordinationsschwierigkeiten zwischen Küche und Service aus dem Weg zu gehen, sind im Ruffini Küche und Service eng miteinander verzahnt. Konkret bedeutet das, dass ständig jemand aus dem Service-Bereich in der Küche arbeitet und umgekehrt.

Außerdem finden in den verschiedenen Abteilungen regelmäßig Sitzungen statt. Und alle drei Monate gibt es Gesellschafterversammlungen, bei denen es um gesamtbetriebliche Themen geht, wie z.B. um größere Investitonen. Bei den Entscheidungen hat jeder Gesellschafter das gleiche Stimmrecht.
Eine der Besonderheiten im Ruffini: Wenn jemand anfängt, sei es als Gesellschafter oder als Aushilfe, bekommt er einen "Paten" zugeteilt. "Dieser soll ihm in jeder Hinsicht mit Rat und Tat zur Seite stehen und auf eventuelle Fehler aufmerksam machen", erzählt Helmut Maier. Nach einer gewissen Zeit darf sich der angehende Ruffini-Mitarbeiter seinen "Paten" dann selber aussuchen.
Wer Gesellschafter im Ruffini werden will, sollte folgende Voraussetzungen erfüllen: eine bestimmte Summe an Eigenkapital mitbringen (im 4-stelligen Bereich) und möglichst selber hinter der Idee der Selbstverwaltung stehen. Neue Gesellschafter haben eine Probezeit von einem Jahr, dann erst werden sie Vollgesellschafter.
Früher waren die Gäste im Ruffini eher links orientiert (Künstler, Studenten, etc). Heutzutage ist das Publikum bunt gemischt. "Die meisten Gäste wissen nicht, dass das Ruffini in Selbstverwaltung geführt wird", so Maier. "Aber sie spüren es am hervorragenden Service." Wo gibt's das schließlich sonst noch, dass die Chefs bedienen.

 

www.ruffini.de

 

Dieses Konzept ist im Gastronomie-Report 4/1999 erschienen.