Keine halben Sachen, aber halbe Portionen

Foto: Warta

Per Video im Internet werden die Gäste über die regionalen Lieferanten informiert, per Newsletter zur Verkostung des saisonalen Bierhits eingeladen und auf der Speisekarte zum Spiel mit halben und ganzen Portionen aufgefordert. Wie man modernes Marketing und traditionsreiche Gastronomie unter einen Hut bringt, praktiziert das Schweiger Brauhaus in Markt Schwaben mit großem Erfolg.

Die Wirtsleute Heidi Hanrieder und Adi Warta setzen auf hohe Qualität und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihren Lieferanten. Aber wie vermittelt man das den Gästen? "Wir können doch nicht jeden Tag bei jedem Gericht auf die Speisekarte schreiben 'hausgemacht mit frischen Zutaten aus der Region'", erzählt Heidi Hanrieder. "Bei unseren internen Besprechungen kam schließlich die Idee auf: Sollen wir nicht einen Film machen?"

Und so können die Besucher der Schweiger Brauhaus-Homepage seit kurzem ein Video anklicken, in dem der Warta Adi nach kurzer Einleitung sagt: "Fahrt's mit zum Einkaufen!" Erste Station ist der Tobi in Anzing, der Hausbäcker des Brauhauses. Weiter geht's zum Großmarkt und zum Schlachthof in München, wo die Zuschauer u. a. die Gemüse- und Fleischlieferanten kennen lernen. Nach dem Abstecher zur Forellenzucht am "Vogelherd" in Herdweg geht's zum Zehmerhof nach Gelting, wo die Bäuerin stolz erzählt, dass sie für den Adi Kartoffeln und Eier produziert. Und weil der Name Brauhaus verpflichtet, darf natürlich auch die Brauerei Schweiger in dem ca. 5-minütigen Film nicht fehlen.

"Wir wollten, dass unsere Lieferanten für unsere Gäste ein Gesicht bekommen", erzählt Adi Warta. Das schafft Vertrauen bei den Gästen und verpflichtet gleichzeitig die Lieferanten, ihren hohen Qualitätsstandards treu zu bleiben. Wem im Film alles zu schnell ging, der kann auf der Homepage unter "Unsere Lieferanten" in Ruhe nachlesen, woher das Schweiger Brauhaus seine Produkte bezieht. Dass in dem Film jeweils eine Uhrzeit eingeblendet ist (5.30 Uhr beim Bäcker Tobi, 6.15 Uhr Großmarkthalle München, 6.45 Uhr Schlachthof München, etc.), macht deutlich, dass der Arbeitstag eines Wirtes früh beginnt, damit der Gast mittags oder abends Gerichte und Getränke aus besten und frischen Zutaten genießen kann. Und dass der firmeneigene Lieferwagen des Schweiger Brauhauses (mit Kühlbereich, alles HACCP-gerecht) immer wieder ins Bild kommt, ist gleich noch Eigenwerbung fürs Veranstaltungs-Catering.

Ja, aber … Einen Film drehen, das geht doch nicht so einfach. Ein Wirt ist doch weder ein Regisseur noch ein Schauspieler! Richtig, aber dafür gibt's Experten – z. B. die Firma, die auch den Webauftritt des Brauhauses gestaltet. "Die Lieferanten haben begeistert mitgemacht", erzählt Wirtin Heidi Hanrieder. "Die Drehgenehmigungen für Großmarkthalle und Schlachthof waren gar nicht so schwer zu bekommen. Unterm Strich hat uns das Video rund 2.000 Euro gekostet."

Als Gegenwert verfügt die Gaststätte aus Markt Schwaben jetzt über ein Marketing-Tool, das bundesweit einzigartig sein dürfte in der Branche. Alle reden von Regionalität, aber bewegte Bilder sagen mehr als 1.000 Worte. Wo die Großen der Branche pennen, haben Heide Hanrieder und Adi Warta Nägel mit Köpfchen gemacht. – Nur ein Filmchen im Internet? Fragt nach bei Tobi, dem Bäcker, der sich plötzlich über neue Kundschaft freuen darf …

In die Rolle des Gates versetzt

Bevor das Wirtepaar 2003 das Brauhaus übernommen hat, hat es sich in die Rolle des Gastes versetzt. "Wir haben uns überlegt, was uns in vielen Lokalen ärgert", erinnert sich Heidi Hanrieder. Die Heidi ist zum Beispiel eine, die gern alles ausprobiert, um das Richtige zu finden. "Wenn ich als Gast bei einem guten Italiener bin, dann kann ich mich nicht entscheiden. Dann hätte ich gern zwei bis drei Kostproben von den Antipasti, möchte ein Nudelgericht probieren und auch den Fleischgang. Der Kellner sagt dann: „Si Signora, kein Problem". Aber mit der Rechnung kommt dann das böse Erwachen. Von der Nudelportion für 12,90 Euro kostet die "kleine Portion" dann 11,90, usw."

Im Schweiger Brauhaus gibt es von allen Vorspeisen und Salaten, Hauptgerichten und Nachspeisen ganze und halbe Portionen – zu einem fairen Preis. "Die halbe Portion kostet bei uns auch die Hälfte – plus einem Aufschlag von 80 Cent bis 1,30 Euro", so die Wirtsleute. "Dieses Angebot ist von den Gästen von Anfang an begeistert aufgenommen worden, speziell auch die Kombinationsmöglichkeiten bei den Tagesmenüs (je nach Wunsch: halbe Hauptspeise und halbe Nachspeise, ganze Hauptspeise und halbe Nachspeise, etc.)."

Bei dem Konzept mit den "halben Portionen" haben sich Heidi Hanrieder und Adi Warta nicht nur auf ihr Bauchgefühl verlassen, sondern viel mit ihren Gästen gesprochen. Speziell bei den älteren Semestern haben sie damit offene Türen eingerannt. Wer in seiner Jugend für Led Zeppelin schwärmte und am Bauzaun von Wackersdorf gegen die Staatswillkür kämpfte, möchte sich heutzutage nicht mit einem "Seniorenteller" abspeisen lassen. Die Zielgrupppen 50+ oder 60+ mag eine interessante, meist auch zahlungskräftige Klientel sein. Aber wer damit Geschäfte machen will, sollte diese Gästegruppen aber nicht in die Senioren-Ecke stellen. "Bei uns gibt es keine Seniorenteller und keine Kinderteller", so Adi Warta. "Bei uns gibt es ganze und halbe Portionen für alle Altersgruppen."

Zwei Kleine sind leichter teilbar

Das Konzept geht auf, weil es von A bis Z durchdacht ist. Es ist ja nicht damit getan, halbe Portionen auf die Speisekarte zu setzen. "Beim Anrichten achten wir darauf, dass die Gerichte teilbar sind", so Adi Warta. "Den Schweinebraten gibt's nicht mit einem großen Knödel, sondern mit zwei kleinen." Durch unterschiedliche Tellergrößen können sowohl die ganzen wie die halben Portionen wirkungsvoll serviert werden. Damit beim Bonieren der "ganzen", "halben" und Mix-Bestellungen kein Kuddelmuddel entsteht und in der Küche kein Chaos ausbricht, ist das Kassensystem von der Fa. Oeser speziell auf die besonderen Bedürfnisse im Brauhaus maßgeschneidert worden. Bei den Schöpfgerichten vertrauen die Wirtsleute auf klare Vorgaben an die Küchenbrigade und deren Fingerspitzengefühl. "Und damit nichts schief geht, passen wir beim Wareneinsatz sehr genau auf", so Adi Warta, "und besprechen die Datev-Auswertungen mehrmals im Jahr mit unserem Steuerberater."

Neben den "halben Portionen" fallen auf der täglich wechselnden Karte die "Bio-Gerichte" auf. Das Brauhaus ist seit 2006 bio-zertifiziert, seitdem werden jeweils ein bis zwei Biosalate und ein bis zwei Bio-Hauptgerichte angeboten. Heidi Hanrieder und Adi Warta machen das aus Überzeugung und aus Geschäftssinn. "Der Aufwand mit der getrennten Lagerhaltung und der getrennten Zubereitung ist zwar sehr hoch", so die Wirtsleute, "aber dafür haben wir im Raum Markt Schwaben praktisch eine Alleinstellung. Wenn bei einem Paar einer auf Bio steht und der andere nicht, dann kommen sie zu uns. Und wenn bei einer großen Gruppe ein oder zwei Leute Bio wollen, dann reservieren die ebenfalls bei uns."

Für Bio spricht aber nicht nur die Schaffung einer USP-Stellung, sondern vor allem auch die Qualität. "Wir gehen deshalb beim Einkauf immer stärker in diese Richtung", so Adi Warta. "Derzeit liegt die Bio-Quote bei ca. 15%. Als nächsten Schritt haben wir geplant, nur noch Bio-Mehl zu verwenden – für die sowieso hausgemachten Nudeln und auch für die herkömmlichen Gerichte. Das kommt deutlich teurer im Einkauf, aber die Gäste schmecken den Unterschied."

Von einem Bio-Bauern haben die Wirtsleute vom Schweiger Brauhaus die Devise übernommen: "Wir machen das, was wir für richtig halten. Allen kann man es eh' nicht recht machen." Oder anders gesagt: Statt jedem Gast nachzulaufen, sollte man sich mit einer klaren Philosophie einen festen Gästestamm schaffen. Im Schweiger Brauhaus heißt der wohl wichtigste Grundsatz: Hohe Qualität zu einem fairen Preis.

Und wenn sich ein Gast beschwert, weil der Wurstsalat beim Wirt drei Kilometer weiter 50 Cent billiger ist? Dann wird er freundlich darauf hingewiesen, dass er im Brauhaus eine frische Breze dazu bekommt und ein Stück Brot in hoher Qualität (vom Tobi!) und dass keine Billig-Wurst verarbeitet wird, sondern frische Topware vom Schlachthof. – Und zum Glück ist die Heidi für den Service zuständig und nicht der Adi. Sonst würde der betreffende Gast recht deutlich zu hören bekommen: "Wenn Du wegen 50 Cent soviel Zirkus machst, dann bist Du beim Wirt drei Kilometer weiter besser aufgehoben."

"Ganz am Anfang haben wir durch unsere klare Qualitätsphilosophie sicher den einen oder anderen Gast verloren", so Heidi Hanrieder. "Aber inzwischen wissen die Gäste, was sie bei uns erwartet." – Jeder Wirt hat halt die Gäste, die er verdient.

Newsletter mit 500 Adressen

Damit die immer wieder kommen, erhalten sie auch virtuelle Post vom Schweiger Brauhaus, wenn's dort etwas Neues oder Besonderes gibt. "Unser Newsletter geht inzwischen an mehr als 500 Adressen", erzählt Adi Warta. Anfang November stand beispielsweise die frohe Kunde drin, dass es ab sofort die "Winterweiße" gibt und in der nächsten Woche jeder Gast ein kleines Bier kostenlos zum Probieren bekommt. – Solche frohe Kunde spricht sich schnell herum, das erzählt man gern auch Freunden und Bekannten weiter – zwecks Verabredung und Bierprobe im Schweiger Brauhaus.

Viele Wirte klagen über den sinkenden Bierumsatz, die Wirtsleute vom Brauhaus in Markt Schwaben handeln – obwohl sie ja eigentlich eh' an der Quelle sitzen – als gastronomisches Aushängeschild der Privatbrauerei Schweiger. Aber man muss sich halt immer was einfallen lassen … Deshalb gibt's im Schweiger Brauhaus im Sommer die "Sommerweiße" und im Winter die "Winterweiße".

Nachdem die Brauerei keine Probleme damit hatte, dass im Brauhaus selbst gemachte Biermixgetränke gemacht werden, war die Küche an der Reihe. Da wurde lange getüftelt, probiert und verkostet, bis der jeweils perfekte Sud (für die Sommerweiße mit Zitronenmelisse, Ingwer und Kräutern; für den Winter vor allem mit Lebkuchengewürzen) gefunden war. Ins kleine Weißbier kommt ein Stamperl des Suds rein, ins große ein Doppelter. Fertig ist das nächste USP – und der Gast darf sich zusätzlich darüber freuen, dass er diesen Mehrwert für denselben Preis bekommt wie das normale Weißbier.

Wir sind keine Geschmackstester, aber das Lob muss man dem Brauhaus-Team einfach machen. Die Kombination Lebkuchengewürze und Weißbier könnte schlimmste Christkindl-Markt-Alpträume hervorrufen, aber in Markt Schwaben stimmt die Mischung. Das zeigte sich bei der Sommerweißen auch daran, dass in der Brauerei Bestellungen dafür eingingen. Aber da musste die Brauerei passen. Die Sommerweiße hat's nur im Schweiger Brauhaus gegeben – und sonst nirgends.

Es gäbe noch viel zu erzählen von Heidi Hanrieder und Adi Warta und ihrem Brauhaus. Dass sie eine Wirtstochter aus Pliening ist und er der klassische Quereinsteiger (gelernter Bankkaufmann und Gas-Wasser-Installateur). Dass die Zwei sich schon lange gekannt, aber erst auf Umwegen zueinander gefunden haben. Dass es in ihrem bayerischen Wirtshaus gern auch Asia-Gerichte aus dem Wok gibt (die von den Gästen fleißig geordert werden). Dass es im Brauhaus keine durchgehend warme Küche gibt, aber dafür zweimal am Tag frisch gekocht wird. Und wenn was aus ist, dann ist es halt aus! Und dass die beiden das Forsthaus St. Hubertus mitten im Ebersberger Forst übernommen haben und bei der Eröffnung am 1. April 2010 einige Knaller bieten werden.

Aber kommen wir zum Schluss auf das Video zurück. Das ist zwar eine Sensation, aber die Wirtsleute sehen trotzdem noch Handlungsbedarf. "Die Qualität beim Einkauf kommt super rüber", so Adi Warta. "Aber dass wir bis auf ganz wenige Ausnahmen (Pommes, Kartoffelknödel, Eis) alles selber machen in der Küche, wird in dem Film nicht klar genug. Deshalb wollen wir noch einige Sequenzen einfügen, z. B. wie wir die Nudeln selber machen." – Wie gesagt: Im Schweiger Brauhaus gibt's keine halbe Sachen, nur halbe Portionen!

Erschienen im Gastronomie-Report 10/1999.

www.schweiger-brauhaus.de

 

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