Dorfwirt als KistenKrämer – Ein Weg aus der Krise?

Fotos: Glatzer / KistenKrämer

"KastlGreissler“ im Gasthaus Marinelli in Tirol

In Corona-Zeiten ist es ruhig geworden um das Thema "Wirtshaussterben". Dabei hat sich seit 2020 die wirtschaftliche Situation speziell der Dorfwirtschaften bestimmt nicht gebessert. Ein Ausweg aus der Krise ist die Idee, dass Wirte als Nahversorger mit einem angeschlossenen Dorfladen Zusatzumsätze generieren und die Gästefrequenz erhöhen können. Exakt diese Idee wird in Österreich seit 2020 als "KastlGreissler" umgesetzt und ist jetzt in Deutschland mit dem Franchise-Konzept "KistenKrämer" verfügbar.

Gemeinden ohne Bäcker, ohne Metzger, ohne einen kleinen Kramerladen sind auch in Bayern längst traurige Realität. Oftmals muss man in ländlichen Regionen für Produkte des täglichen Bedarfs ins Auto steigen und für Milch und Butter 20 oder 30 Kilometer weit ins nächste Gewerbegebiet fahren. Dabei werden doch viele der Lebensmittel für den täglichen Bedarf in der unmittelbaren Umgebung des Wohnorts auf Bauernhöfen hergestellt. Das Nahversorger-Sterben in kleinen, strukturschwachen Gemeinden trägt dazu bei, dass die Orte im ländlichen Raum gerade für junge Menschen und Familien immer unattraktiver werden. Und mit deren Wegzug verschwindet auch die Daseinsgrundlage der Dorfwirtschaften. So faszinierend die Idee "Dorfwirt als Nahversorger" ist: Lässt sie sich in der Praxis wirklich umsetzen? Wirt sein ist ein Full-Time-Job. Wie soll man es da mit Aldi, Lidl und Rewe aufnehmen? Und wenn man schon keine Leute für den Gastro-Betrieb findet: Wer soll dann im Dorfladen arbeiten?

Schauen wir nach Österreich, genauer gesagt in die kleine Gemeinde Dölsach in Osttirol. Rund 2.300 Einwohner zählt der Ort, in dem der Gasthof Marinelli seit 1935 traditionelle Tiroler Gastlichkeit bietet. Und seit dem Frühjahr des vergangenen Jahres ist Wirt Thomas Glanzer auch einer von inzwischen zehn KastlGreisslern in Österreich. In einem Selbstbedienungsshop gleich neben dem Gasthof verkauft er überwiegend regionale Lebensmittel und Produkte für den täglichen Bedarf. In den Container passen bis zu 450 Produkte, womit hier auch Platz für Hygieneartikel, Wasch- und Reinigungsmittel und vieles mehr ist.

Damit schließt der KastlGreissler die Lücke zwischen Hofläden, die meist ein eingeschränktes Sortiment an Spezialitäten anbieten, und dem LEH, der aufgrund zentraler Strukturen meist nicht bei kleinen, lokalen Produzenten einkaufen kann. Für Wirt Thomas Glanzer war der Schritt kein Neuland. Schon vorher war seinem Gasthaus Marinelli ein Hofladen mit Produkten von rund 25 bäuerlichen Familienbetrieben angeschlossen.

Mit der Eröffnung des neuen Shops können nun aber noch viel mehr Lebensmittel mit dem Prädikat "Made in Osttirol" und das sieben Tage die Woche angeboten werden – ohne dass wegen des durchgängigen SBKonzepts zusätzliche Mitarbeiter eingestellt werden mussten. Spannend dabei ist, dass der Wirt in seinem modernen Selbstbedienungsshop natürlich u. a. genau jene regionalen Produkte verkauft, die er auch in seiner Küche verkocht. Und darüber hinaus bietet er in seinem "Kastl" auch ausgewählte Speisen im Glas zum Mitnehmen an.

Man kennt das ja von seinem eigenen Einkaufsverhalten. Man braucht eigentlich nur ein Dutzend Eier, aber an der Kasse ist der Einkaufswagen trotzdem gut gefüllt. Beim "KastlGreissler" im Gasthaus Marinelli hält man nur an, um drei Milch und ein Pfund Butter zu kaufen, und fährt dann vielleicht mit einem kompletten Abendessen (aus dem Take away-Geschäft) mit nach Hause. Gerade für Gastro-Betriebe sind die Synergie-Effekte gewaltig. Dadurch, dass auch eigene Produkte und Speisen über den Laden verkauft werden können, kann man die beste und zielgerichtetste Werbung für sein Lokal machen. "Regionalität ist vielen Menschen
in unserer Gemeinde sowohl beim Lokalbesuch als auch beim täglichen Einkauf wichtig. Da sie bei mir nun seit einem Jahr beides bekommen, war die Begeisterung von Anfang an da und sie ist immer noch riesengroß", so das Fazit von Wirt Thomas Glanzer. "Wieder im Ort einkaufen zu können, empfinden viele als Erleichterung. Aber natürlich hat der Shopauch unser Gastro-Geschäft belebt."

Die kreative Idee von Kastl-Greissler stammt aus der österreichischen Startup-Show "2 Minuten 2 Millionen" (Pendant zu "Höhle der Löwen"), wo Jury-Mitglied Martin Rohla vom Konzept überzeugt werden konnte. Dieser stieg mit seinem Beratungsunternehmen Goodshares Consulting bei dem Projekt ein. Im April 2020 lief die erste erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne, mit der die Finanzierung für den österreichweiten Start gesichert werden konnte.

Es galt, die Shops samt Ladenbau, Warenwirtschafts- und Kassensystem sowie Sicherheitssystem zu professionalisieren. Hinzu kam die Herausforderung, die Strukturen für ein Franchisesystem zu schaffen. Im Oktober 2020 konnte das Startup den ersten Selbstbedienungsshop eröffnen, bis heute wuchs die Zahl auf 20 Standorte in fünf österreichischen Bundesländern.
Inzwischen ist aus dem Kastl-Greissler auch der deutsche Ableger KistenKrämer entstanden. Eine weitere Crowdfunding- Kampagne hatte 250.000 Euro gebracht und den Weg in den deutschen Markt geebnet. Die deutsche KistenKrämer GmbH mit Sitz in Hirschfeld, die von Christoph Mayer geführt wird, listet derzeit mit Brennberg in der Oberpfalz und mit Lemgo zwei Standorte. Der KistenKrämer wird als Franchise-System angeboten (inklusive Kassen- sowie Bestellsystem, Beratung und Betreuung). Der Container ("die Kiste") kann unkompliziert aufgestellt und flexibel versetzt werden. Die Artikel werden nach dem Einkauf von den Kunden selbst an der Kasse gescannt und mit Karte oder bar bezahlt. Der Innen- und Außenbereich des Shops wird videoüberwacht.

Die Investitionen für den Einstieg setzen sich dabei wie folgt zusammen: 20.000 Euro für die einmalige Franchise-Einstiegsgebühr, für einen kompletten KistenKrämer-Shop (inklusive Regalsysteme und Kühlelemente, Kassen-, Warenwirtschaftsund Sicherheitssystem) ist je nach Ausstattung mit einer Summe ab 34.000 Euro zu rechnen, die Erstbestückung mit Waren liegt pro Shop bei rund 5.000 Euro. Wobei durch Förderungen der öffentlichen Hand die genannten Kosten in der Regel reduziert bzw. die Finanzierungen erleichtert werden können. Gut für die Menschen (Nahversorgung vor Ort), gut für die Umwelt (weniger Verkehr), gut für regionale Produzenten und für die Betreiber: Was will man mehr?

Der bislang erste KistenKrämer in Bayern wird unabhängig von einem Gastro-Betrieb geführt. Der erste Dorfwirt, der solch einen Laden eröffnet, dürfte sich also überdies über ein gewaltiges Echo in den Medien freuen dürfen.

Der Artikel ist erschienen in der Ausgabe 3/2022 des Gastronomie-Report.

www.kistenkraemer.com